
Am 22.02.2018 wurde der Verein „Unternehmensnetzwerk Magerviehhof Friedrichsfelde e. V.“ gegründet. Gegenstand und Aufgabe des Vereins sind verschiedene Maßnahmen zur Entwicklung und Stärkung des Gewerbegebietes Zur Alten Börse/Magerviehhof Friedrichsfelde im Bezirk Marzahn-Hellersdorf in enger Zusammenarbeit mit dem Bezirk Marzahn-Hellersdorf: Leitstelle für Wirtschaftsförderung, Stadtentwicklungsamt, Stadtplanung und Denkmalschutz.
Das Projekt wurde gefördert aus Mitteln der Europäischen Union und des Bezirks Marzahn-Hellersdorf im Rahmen der „Wirtschaftsdienlichen Maßnahmen“ (WDM)



Die Hauptziele der Vereinsarbeit:
- Maßnahmen zur Förderung und Stärkung der lokalen kleinen und mittleren Unternehmen auf dem Gewerbegebiet
- Vernetzung der Gewerbetreibenden
- Erhöhung der wirtschaftlichen Attraktivität des Standortes
- Aufbau von kulturellen Angeboten für die Nachbarschaft
Unsere Arbeit erfolgt unter Beachtung der historisch entstandenen Entwicklung des Gewerbegebietes und der Restaurierung und Wiederaufbau der denkmalgeschützten Räumlichkeiten.
Geschichte des Geländes
Der Magerviehhof Friedrichsfelde wurde 1903 auf einem 38,25 Hektar großen Grundstück von dem rund 25 Hektar auf das Betriebsgelände entfielen, im Winkel zwischen der Bahnlinie nach Wriezen und der Ostbahn eröffnet. Mit der Bildung von Groß-Berlin 1920 lag das Gelände im Berliner Bezirk Lichtenberg. Seit 1979 gehört es zu Marzahn, heute Bezirk Marzahn-Hellersdorf. Viele Gebäude blieben erhalten und stehen seit 1995 unter Denkmalschutz.
1903 – 1945
Für die Errichtung der Baulichkeiten war die Bauleitung des Magerviehhofes „Genossenschaft für Viehverwertung in Deutschland GmbH“ zuständig, während die Eisenbahnanlagen von der königlichen Eisenbahndirektion Berlin ausgeführt wurden. Mit einem finanziellen Aufwand von 4,25 Mill. Mark wurde der Magerviehhof innerhalb von 11 Monaten Bauzeit errichtet.
Der Magerviehhof wurde konstant über einen Zeitraum von 42 Jahren betrieben und war bis 1945 als ein Handelszentrum insbesondere für Magervieh, d. h. für zur Mast bestimmtes Jungvieh (Rinder, Pferde, Schweine, Schafe), aber auch für Zuchttiere, Fettvieh und Geflügel, sowie für Tierprodukte wie z. B. Wolle konzipiert worden. Die Funktionen eines Schlachthofes waren mit Ausnahme von Notschlachtungen ausdrücklich ausgeschlossen, in seiner Funktion als reines Handelszentrum dieser Größe blieb die Anlage in Deutschland einmalig.
Von der Konzentration des Viehhandels an einem dafür ausgewiesenen und geeigneten Ort versprach sich die Genossenschaft für Viehverwertung eine größere veterinärpolizeiliche Kontrolle der Tiere, damit die Eindämmung von Seuchen und gleichzeitig eine Stabilisierung der Preise für deutsches Fleisch.
Bis dahin war der Verkauf von Tür zu Tür und auf Marktplätzen mit unzureichenden hygienischen Verhältnissen üblich.
Wie in der Gliederung der Anlage deutlich wird, war man bestrebt, Krankheitsübertragungen auszuschließen und eine größtmögliche Hygiene zu garantieren, daher auch der Verzicht auf die bis dahin übliche Kombination mit einem Schlachthof.
Während der Weltkriege kam das Militär als Mieter hinzu, im 2. Weltkrieg insbesondere die deutsche Luftwaffe, da das Gelände aufgrund seiner Funktion und Verkehrsanbindung einen idealen Umschlagplatz für die Heeres- und Volksversorgung darstellte. 1941 wurden französische Kriegsgefangene auf dem Gelände festgehalten. Mit Ende des 2. Weltkrieges erfolgte die Beschlagnahmung des Geländes durch die russische Besatzungsmacht. Ab Oktober 1945 stand der Magerviehhof unter Sequestur und damit in der Verwaltung der deutschen Treuhandverwaltung.
1945 – 1995
Durch die Neubelegung der Gebäude als Lager der Besatzungstruppen endete der Betrieb des Magerviehhofes. Plünderungen und Zerstörungen folgten und richteten erheblichen Schaden – vor allem in Bezug auf die gelagerten Maschinen und Güter – an, zu Beginn des Jahres 1949 erfolgte die endgültige Enteignung. Das Gelände wurde als Eigentum des Volkes dem Ministerrat der DDR, Ministerium für Nationale Verteidigung übereignet und von der Nationalen Volksarmee (NVA) vor allem zu Lagerzwecken sowie für Werkstätten für Militärfahrzeuge genutzt. Dies hatte zur Folge, dass es zum militärischen Sperrgebiet erklärt wurde. Daneben wurden auf dem weitläufigen Gelände im Mai und Oktober die Militärparaden vorbereitet.
Mit der Neugestaltung der Allee der Kosmonauten verschwand die Kläranlage. Schließlich erfolgte eine Teilung des Grundstücks ungefähr auf der Höhe der Börse, die bis 2012 Bestand hatte: der südliche Teil verblieb bei dem Ministerium für Nationale Verteidigung und wurde nach der Wiedervereinigung 1994 der Oberfinanzdirektion zugeordnet und lag ab 1996 brach, der nördliche Bereich blieb Gewerbegebiet und wurde von der Treuhandliegenschaftsgesellschaft (TLG) übernommen.
ab 1995
1995 erfolgte die Aufnahme weiter Teile des ehemaligen Magerviehhofes in die Denkmalliste. Seit 1999 läuft die Vorbereitung eines Bebauungsplanes, der sich über das gesamte Betriebsgelände des Magerviehhofes sowie über das im Nordosten daran anschließende Gebiet an der Allee der Kosmonauten erstreckt. Als Planungsziele werden u. a. die Entwicklung eines kleinteiligen, durchgrünten, emissionsarmen Gewerbegebietes, die Gewährleistung einer tragfähigen Erschließung und die Wiederbelebung des Gleisanschlusses angestrebt. Durch den Erhalt und die Wiedernutzung der historischen Bausubstanz und des historischen Baumbestandes sollen die früheren Funktionen des Plangebietes als Magerviehhof wieder sichtbar gemacht werden. Die historische interne Erschließungsstraße ist in die Gestaltung aufgenommen worden, um die Beilsteiner Straße vom Gewerbeverkehr zu entlasten sowie mit einer besseren Erschließung die Attraktivität des Gewerbestandortes zu erhöhen.
Der Magerviehhof befindet sich in einem guten Erhaltungszustand, bedenkt man seine bewegte Geschichte. Die Anlage ist trotz einiger Abrisse in ihrer grundsätzlichen Disposition noch deutlich ablesbar und stadtbildprägend. Wichtige Zeugnisse sind erhalten und vermitteln ein eindrucksvolles Bild des Magerviehhofes und seines Betriebes. Die beiden großen Hallen: die große Rinderhalle (Zur Alten Börse 41) und das neue Wolllagerhaus (Zur Alten Börse 79), das vom Merino Wollverein errichtet wurde, sind herausragende Beispiele der Ingenieurbaukunst der Jahrhundertwende. Der Magerviehhof stellt ein wichtiges Dokument der jüngeren Zeit- und Sozialgeschichte Berlins dar, mit der Errichtung einer Anlage, die erstmals eine seuchen-hygienische Vermarktung von Zucht- und Mastvieh in Preußen sicherstellte. Er hat darüber hinaus einen hohen Seltenheitswert. Bisher konnte die Anlage ohne schwerwiegende Eingriffe immer wieder den veränderten Ansprüchen angepasst werden. Das macht deutlich, wie durchdacht aber eben auch multifunktional das Gelände angelegt worden ist. Auch in Zukunft sollte es möglich sein, unter Einbindung des historischen Bestandes ein neues, funktionierendes Gewerbegebiet zu schaffen.
Seit 2012 sind viele Grundstücke auf dem Gebiet von Privatpersonen, Investoren und Unternehmen erworben worden die an den Standort des Gewerbegebiets mit ihren Firmen, Werkstätten, Ateliers oder Büroräumen gezogen sind und Nutzräume an Kleinunternehmer als Mieter zu Verfügung stellen. Am 22.02.2018 wurde der Verein „Unternehmensnetzwerk Magerviehhof Friedrichsfelde e. V.“ gegründet.
Inhaltliche Quelle: Buch „Die Denkmale in Berlin – Bezirk Marzahn“ von Anja Franziska Denker (Seiten 134–151). Herausgegeben vom Bezirksamt Marzahn von Berlin/Untere Denkmalschutzbehörde in Zusammenarbeit mit dem Förderverein für das Bezirksmuseum Marzahn e. V., 2000,
ISBN 3-00-006595-4